Von Leila Abdul-Rauf
Auf gewisse Weise klingt Heavy Metal selbst wie eine Maschine: Das Schlagzeug hämmert unbarmherzig vor sich hin, während verzerrte Gitarren Powerchord-Riffs hervorbringen, die wie Kettensägen dröhnen. Einige Bands treiben diese maschinellen Aspekte auf die Spitze, indem sie klassische Metal-Elemente mit elektronischen Mitteln verschmelzen lassen und dabei auf eine Kombination aus Samplern, Synthesizern und (manchmal) Drumcomputern zurückgreifen. Einflussreiche Bands wie Ministry und Rammstein ebneten dem Industrial Metal in den 1980er- und 1990er-Jahren in den USA und Europa den Weg. In Frankreich wurde Mass Hysteria (die mit Raphael Mercier über einen Live-Schlagzeuger verfügt) zu einer der erfolgreichsten Bands des Genres. Mit ihrem Album Contraddiction gelang ihnen 1999 der Durchbruch und sie landeten auf Platz 20 der französischen Musik-Charts.
„P4“ von Mass Mysteria.
Mass Hysteria ist eine Metal-Band durch und durch. Der Gitarrist Yann Heurtaux nennt Kerry King von Slayer und James Hetfield von Metallica als seine größten Vorbilder, und die Gruppe trat 2009 beim ausverkauften Metallica-Konzert in Nîmes als Vorband auf – doch die große Bandbreite an Einflüssen von Nu Metal über Industrial bis zu Rap verleiht ihnen einen äußerst vielseitigen Klang. Yann und sein Co-Gitarrist Erwan Disez (2007 von Nico Sarrouy und schließlich 2014 von Fred Duquesne abgelöst) arbeiten am liebsten mit Dropped-D-, C#- oder C-Stimmungen. Beide sind rhythmische Spieler, und ebenso wie ihre Landsleute AqME verzichten sie auf Gitarrensoli und greifen stattdessen lieber auf elektronische Samples zurück. „Maschinen spielen in Mass Hysteria eine wichtige Rolle. Wenn Kerry King von Slayer ein Solo spielt, bezieht er oft sein Wah-Wah-Pedal mit ein, was der Musik eine besondere Note verleiht. Dasselbe machen wir mit unseren Samples“, erläuterte Yann in einem Interview mit Audiofanzine. Der rasante Thrash-Song „P4“ ist ein gutes Beispiel für diesen Ansatz. Wenn man genau hinhört, an welcher Stelle die Samples und Synth-Parts bei 0:33 und 1:07 eingesetzt werden, stellt man fest, dass sie die Funktion eines Gitarrensolos erfüllen, indem sie der Musik eine zusätzliche, überirdische Dimension verleihen.
„Attracteurs étranges“ von Mass Hysteria – man beachte die Tritonus-Akkorde im Eröffnungsriff.
In „Attracteurs étranges“ klingen die Dropped-D-Riffs von Yann und Erwan besonders dissonant und setzen dabei immer wieder Tritoni ein. Dies verleiht dem Song im Zusammenspiel mit den fragmentarischen Samples ein Gefühl von Spannung und Chaos. Durch seinen Rap in den Strophen sorgt auch der Frontsänger Mouss Kelai für eine starke Dynamik – quasi wie eine französische Version des Sängers Zack de la Rocha von Rage Against the Machine. Mouss geht in den Refrains zu melodischem Gesang über und verstärkt so die Emotionen des Songs, während die Gitarren opulente Nonenakkorde spielen. Dadurch entsteht ein sanfterer Kontrast zu der Rauigkeit der Strophen.
Yann Heurtaux und Frédéric Duquesne, die aktuellen Gitarristen von Mass Hysteria.
Wenn eine Metal-Band über zwei Gitarristen verfügt, spielen beide normalerweise unterschiedliche Parts. So könnte etwa ein Gitarrist den Rhythmus übernehmen und der andere die Soli, oder beide spielen harmonierende Leads. Mass Hysteria verzichtet darauf ganz bewusst: „Bei diesem Stil kommt es darauf an, die Gitarrenparts zu verdoppeln. In Gruppen unseres Genres, die nur einen Gitarristen haben, wird der Part sogar trotzdem im Studio verdoppelt“, erklärt Frédéric Duquesne. „Dadurch entsteht eine Art Choreffekt, der sich mit einer einzigen Gitarre nicht erzeugen lässt. Unsere Aufgabe ist es, das gut hinzubekommen!“
Leila Abdul-Rauf ist eine Multiinstrumentalistin und Komponistin aus Oakland, Kalifornien. Leila ist Gitarristin und Sängerin für die Metal-Bands Vastum und Hammers of Misfortune sowie die „Ethereal Post-Punk“-Band Terebellum. Sie komponiert und produziert zudem Hintergrundmusik unter ihrem eigenen Namen zusammen mit dem Electronic-Trio Ionophore und dem Synth-Folk-Duo Fyrhtu. Leila war international auf Touren unterwegs und ist in ihrer Freizeit Gitarren- und Gesangslehrerin.
„Mass Hysteria“ von Paul S. ist lizenziert unter CC BY-SA 2.0.
„Yann“ von Paul S. ist lizenziert unter CC BY-SA 2.0.
„Frédéric Duquesne“ von Paul S. ist lizenziert unter CC BY-SA 2.0.
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