Kadenzen bezeichnen die Art und Weise, wie Akkordfolgen den Abschluss einer musikalischen Phrase ausdrücken. Während Akkordfolgen eine beliebige Anzahl an Akkorden aufweisen können, bezieht sich der Begriff Kadenz auf die finalen – in der Regel die letzten beiden – Akkorde eines Abschnitts. Je nachdem, wie die Akkordfolge endet, ist die Kadenz „stark“ oder „schwach“. Obwohl es keine festen Regeln gibt, wie Akkordabfolgen beginnen oder enden sollen, gibt es einige Kadenzen, die verbreiteter sind als andere.
Authentische Kadenzen bewegen sich von V zu I in den Dur-Tonarten oder von V zu i in den Moll-Tonarten. Weil die Akkorde auf der Stufe I enden, werden authentische Kadenzen als stark bezeichnet. Das Auflösen von V nach I fühlt sich an, als würde man von einem akustischen Abenteuer, das man unternommen hat, heimkehren. Aus dem Refrain in Totos „Live for Today“ bei ca. 1:12 Min. heraus spielt die Band in dem Video unten eine große authentische Kadenz zurück in den Haupt-Riff des Songs.
Plagale Kadenzen bewegen sich von IV zu I und nicht von V zu I. Sie hören sich nicht so gewaltig an wie authentische Kadenzen, aber klingen dennoch wie ein Abschluss – ein Punkt anstatt eines Ausrufezeichens. Als Beispiel: Das Ende des Refrains in dem Song „Truth No. 2“ von den Dixie Chicks schließt mit einer plagalen Kadenz ab. In dem Video ist sie bei 1:27 Min. zu hören.
Wie der Name schon sagt, ist die Halbkadenz nicht vollkommen abgerundet. Die Akkordfolge endet auf V, aber schließt nicht ab, sodass in einer anderen Phrase noch etwas zu sagen bleibt. Dadurch hören sich diese Kadenzen schwächer oder unvollendet an, sodass sie häufig eine „Call and Response“-Form einleiten oder einen Übergang zu einer neuen Tonart oder einem neuen Abschnitt signalisieren. In „Sell Out“ von Reel Big Fish endet die Phrase, die zum Refrain übergeht (auf den Text „I just don‘t believe it“) auf einem gespannten V-Akkord. Die Spannung wird zu Beginn des Refrains mit dem I-Akkord gelöst.
Eine andere Kadenz, deren Name Programm ist, ist die Trugkadenz. Die Akkordfolge scheint eine authentische Kadenz aufzubauen, aber dann schließt der V-Akkord woanders als auf I ab. Damit wird dem Ende der Phrase eine harmonische Überraschung verliehen. Häufig bewegt sich eine Trugkadenz zu vi, damit das Ende in Moll ausklingt. In „Walking on Broken Glass“ von Annie Lennox endet die Strophe auf V, aber schließt letztendlich im Pre-Refrain auf einen vi-Akkord ab, sodass der emotionale Schmerz, den der Liedtext beschreibt, unterstrichen wird.
Erwähnenswert ist, dass viele Musikstücke der Klassik mit starken Kadenzen arbeiten, in der Popmusik hingegen durchlaufen viele Akkordfolgen dieselben Akkorde mehrmals hintereinander. Diese Wiederholungen machen allerdings die Momente, wenn Kadenzen eingesetzt werden, wirkungsvoller. Achte auf die Wirkung, die die Kadenz auf die musikalischen Phrasen des Songs hat – vermitteln sie den Eindruck von Unvollständigkeit oder verkörpern sie den Punkt am Ende eines Satzes? Diese Spannung oder Entspannung kann dem Liedtext einen zusätzlichen Nachdruck verleihen oder helfen, das Gefühl eines Anfangs oder Endes in bestimmten Abschnitten des Liedes zu erzeugen.
Margaret Jones ist Multiinstrumentalistin, Songwriterin und Musiklehrerin aus Oakland, Kalifornien. Sie spielt Gitarre in mehreren Bands in ihrer Heimat, unter anderem in ihrem eigenen Songwriter-Projekt M Jones and the Melee. Sie hat an der UC Berkeley in Musikgeschichte promoviert und am San Francisco Conservatory of Music unterrichtet.
„Punctuation marks made of puzzle pieces“ von Horia Varlan ist lizenziert unter Creative Commons CC BY 2.0.
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