Die besten Gitarrenriffs übertreffen die Künstler, die sie geschrieben haben. Sie sind legendär und erzeugen ihren eigenen Kult. Obwohl die klassische Hardrock-Band Heart erst 2013 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, hätte allein der Eröffnungsriff ihres Superhits „Barracuda“ von 1977 dies schon gerechtfertigt. Vom Beginn des kommerziellen Erfolgs in den 1970ern an bis in die 80er und darüber hinaus hat Heart gekonnt Elemente des Heavy Metal, Folk und Pop mit den haarsträubenden Gesangseinlagen und rhythmischen Gitarren-Grooves der Schwestern Ann und Nancy Wilson verbunden.
Was macht den Eröffnungsriff so einprägsam? Es passiert so viel: Galopps, Flageoletttöne, Tremolo-Dives, ein klassischer 70er-Flanger-Effekt – all das sorgt für ein kraftvolles Riff. Der Riff beginnt mit einem traditionellen Heavy-Metal-Galopp, einer Rhythmustechnik, die sich aus einer Achtelnote gefolgt von zwei Sechzehntelnoten zusammensetzt:
Der Galopp beginnt mit einem E-Powerchord, einem einfachen Zweiklang ohne Dur- oder Moll-Qualitäten. Es ist einfach der Grundton (E), der mit der fünften Note (H) gespielt wird. Der E-Powerchord galoppiert mehrere Male, bevor er den Hals hoch zu Fis reitet und dann zu G. Der markante Teil des Riffs kommt danach: Flageoletttöne auf den drei hohen Saiten beim 12. Bund, gefolgt von einem schnellen Triller auf dem Tremolohebel. Wenn sich der Riff zum zweiten Mal wiederholt, endet er mit einem offenen Akkord gefolgt von einer Dive Bomb.
Der discoartige Drum-Beat setzt ein und kurz darauf verzaubert uns Ann mit ihrer Stimme, die mit Leichtigkeit unglaublich hohe Stimmlagen erreicht: „So this ain‘t the end, I saw you again today“ („Das ist also nicht das Ende, ich habe dich heute wiedergesehen“). Hier macht das Metrum etwas Gymnastik. Nach dem 4/4-Gitarrenintro ist der erste Takt ein 3/4-Takt, der dann zu einem 2/4-Takt wechselt, der dann wiederum von fünf Takten im 4/4-Takt gefolgt wird.
Dieses Muster wiederholt sich in jedem Strophenabschnitt, bis der Refrain in „You‘ll have me down, down, down, down on my knees ... now wouldn‘t you …“ („Du willst, dass ich runter, runter, runter, runter auf die Knie gehe ... nicht wahr? ...“) gipfelt und die Musik abbricht, um Platz für den Songtitel zu machen: „... Barracuda?“. Die Wut in Anns Stimme erreicht hier ihren Höhepunkt und zwingt den Zuhörer, genau aufzupassen. Und diese Wut ist kein Zufall: Ann hat den Text geschrieben, nachdem ein Mann nach einem Konzert zu ihr kam und sie fragte, wie es ihrem „Lover“ geht. Später hat sie erfahren, dass er eigentlich ihre Schwester Nancy meinte und nicht ihren Freund und Bandmanager Michael Fisher. Der Text soll auch Wut gegenüber ihrem damaligen Plattenlabel Mushroom Records und gegenüber der Musikindustrie im Allgemeinen ausdrücken.
„Barracuda“ hat alles, was ein Rock-‘n‘-Roll-Meisterwerk braucht – ein ikonisches Gitarrenintro, galoppierenden Groove und wütenden Gesang. Aber Heart ging noch weiter und baute ungewöhnliche Metrumwechsel ein, um unsere Aufmerksamkeit einzufangen, und erschuf so etwas völlig Einzigartiges.
Leila Abdul-Rauf ist eine Multiinstrumentalistin und Komponistin aus Oakland, Kalifornien. Leila ist Gitarristin und Sängerin für die Metal-Bands Vastum und Hammers of Misfortune sowie die „Ethereal Post-Punk“-Band Terebellum. Sie komponiert und produziert zudem Hintergrundmusik unter ihrem eigenen Namen zusammen mit dem Electronic-Trio Ionophore und dem Synth-Folk-Duo Fyrhtu. Leila war international auf Touren unterwegs und ist in ihrer Freizeit Gitarren- und Gesangslehrerin.
"Nancy Wilson and Roger Fisher - Heart - 1978" von Jim Summaria ist lizenziert unter CC BY-SA 3.0.
“Nancy and Ann Wilson” von John Mathew Smith & www.celebrity-photos.com ist lizenziert unter CC-BY-SA 2.0.
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