Sogar unter den besten Bedingungen ist es manchmal schwer, die richtige Aufnahme während einer Session zu bekommen. Für Kenny Rogers hätten 1982 die Bedingungen eigentlich nicht besser sein können: Er war im Studio und hat an „Islands in the Stream“ gearbeitet, einem „Bee Gees“-Song, der ihm von seinem Produzenten und Gründungsmitglied der Bee Gees, Barry Gibb, angeboten wurde. Bei dieser künstlerischen Großzügigkeit, in Kombination mit den Ressourcen, die ihm zur Verfügung standen, hätte die Arbeit an diesem Song ein Vergnügen sein müssen. Nach vier Tagen im Studio wollte Rogers jedoch aufgeben und sagte Barry, dass ihm der Song gar nicht mehr gefallen würde. Die zufällige Lösung für dieses Problem war die 1,52-Meter große Musiklegende, die zu der Zeit zufällig auch im Studio war: Dolly Parton.
Kenny zufolge war es Barrys Idee, Dolly zur Aufnahme einzuladen. Er schickte seinen Manager, Ken Kragen, in die Lobby, um Dolly abzufangen, bevor sie das Studio verlassen konnte, und fragte sie, ob sie Interesse an dem Duett hätte. Obwohl beide Musiker zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten Auftritte hatten und Kenny sogar bei Dollys Varieté-Show in den späten 1970er-Jahren aufgetreten ist, hatten die beiden noch keine Chance gehabt, miteinander zu reden oder zusammenzuarbeiten. Die Spontaneität dieses Duetts spricht Bände über die Erfahrung und musikalische Handwerkskunst der beiden Sänger. Es erfordert nicht nur ein hohes Maß an Fertigkeiten und Konzentration, sondern auch Großzügigkeit und Aufgeschlossenheit, wenn man mit jemandem singt, den man nicht gut kennt. Man muss in der Lage sein, in Echtzeit auf die Musik zu reagieren, die man hört. Für Dolly bot sich diese Zusammenarbeit einfach an und der Song war ein großer Erfolg.
Der Erfolg des Duetts hängt auch mit der Art zusammen, wie Dollys Stimme die Bedeutung des Textes verstärkt. Die Aufnahme beginnt mit einer Solo-Strophe von Kenny, die von einem zufälligen Treffen handelt, durch das sich intensive romantische Gefühle gebildet haben. Sobald Dolly anfängt zu singen, verwandelt sich das „Ich“ von Kennys Erzähler in ein „Wir“ – so werden sowohl erzählerische als auch musikalische Kräfte gebündelt. In der zweiten Strophe hat Dolly einen Moment, um ihre Sorgen über Einsamkeit auszudrücken, aber wenn Kenny der Geschichte wieder beitritt, ändert sich der Fokus wieder vom Singular in den Plural. So wird die Hingabe der beiden Erzähler zueinander deutlich. Die konkurrierenden Sorgen, die in die Gesangsharmonie übergehen, bestätigen den liebevollen Inhalt des Songs, in dem sich zwei eigenständige Figuren annähern, über ihre Unterschiede hinwegsehen und zusammen stärker werden.
„Islands in the Stream“ ist nach wie vor ein Markenzeichen für Kenny und Dolly, die den Song aufführten, während ihre Karrieren sich weiterentwickelt haben und ihre Freundschaft noch inniger wurde. Außerdem ist es ein meisterhaftes Beispiel für kreative Zusammenarbeit, da beide Sänger ihre Persönlichkeit einbringen und gleichzeitig auf den anderen Künstler und ihre Arbeit reagieren und darauf aufbauen konnten. Wenn du als Musiker wächst, denke darüber nach, mit wem du gerne zusammenarbeiten würdest – Freunden, Familie, Helden – und wie du an so einen Moment herantreten würdest.
Margaret Jones ist Multiinstrumentalistin, Songwriterin und Musiklehrerin aus Oakland, Kalifornien. Sie spielt Gitarre in mehreren Bands in ihrer Heimat, unter anderem in ihrem eigenen Songwriter-Projekt M Jones and the Melee. Sie hat an der UC Berkeley in Musikgeschichte promoviert und am San Francisco Conservatory of Music unterrichtet.
*„Kenny Rogers“ von John Mathew Smith ist lizenziert unter CC BY-SA 2.0.
*„Dolly Parton with Guitar“ wurde abgerufen von der Library of Congress, Music Division.
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